Nicole Janßen
  Nationenturnier 1986
 

Nationenturnier der Studentenreiter

Wuppertal 6-9 Nov.1986

 

Nicht Sieg oder Platz entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg eines Studententurniers, vielmehr zieht man als weitere Kriterien Qualität der Pferde, Unterbringung und Rahmenprogramm sowie Festivitäten heran, die aus einem „normalen“ erst ein „richtiges“ machen. Erst wenn all´ dies zusammen kommt wie in Wuppertal, ist die Bilanz positiv. Ob und wie dieses gelang, das hielt Hans Kirchner in seiner Rückschau für „reiten und fahren“ fest.

 

Donnerstag, 6. November

 

Man wartet im Nachrichtentreff auf die eingeladenen Pressevertreter – vergeblich. Die Organisatoren sind ein wenig enttäuscht, haben sie doch über ein halbes Jahr der intensiven Vorbereitung hinter sich, viele Tage, Wochen und Monate auf diesen Termin hingearbeitet. Dirk Bremme, Geschäftsführer der Privatbrauerei Bremme, begrüßt die Teamchefs und lädt zum Umtrunk und Imbiß ein. Der japanische Coach hat sich mit seinen „Mannen“ nach Düsseldorf abgesetzt um im Japanischen Zentrum Landsleute zu besuchen. Szenenwechsel am Abend: Offizielles Eintreffen der Reiter und Schlachtenbummler aus 14 Nationen im „Tölleturm“, einem vor wenigen Wochen geschlossenen Restaurant im nobelsten Viertel Wuppertals, das extra für die Studenten noch einmal seine Pforten öffnete – vermutlich zum letzten Mal.

Die Kanadier mit ihrer charmanten Teamchefin und ebenso charmanten Reiterinnen treffen ein. Sie weilen überhaupt das erste Mal in Europa, ritten jedoch schon einen Woche vorher in Darmstadt, gewissermaßen als „warming up“ für Wuppertal. Fiona verteilt Einladungen zum Nationencup in Vancouver 1987. Man wir ein wenig neidisch, liest und hört man die Summen, mit denen der Reitsport in Kanada unterstützt wird. Der „Tölleturm“ füllt sich, alte Bekannte werden begrüßt, die man von internationalen Turnieren kennt, „Newcomer“ integriert man problemlos. Dem Gerstensaft der Brauerei Bremme wird kräftig zugesprochen, nicht nur, weil das Turnier unter deren Patronat steht. Die „Mädels“ greifen zum Cocktail.

Nach Mitternacht rückt die Bundeswehr an. Mit von Mercedes gesponserten Bussen organisieren sie nicht nur einen  reibungslos funktionierenden Fahrdienst, sondern erweisen sich während des gesamten Turniers als unentbehrliche Helfer. Abfahrt in die Jugendherberge. Gute Nacht. Morgen geht´s los.

 

Freitag, 7. November

 

Vereinsvorsitzender Zinke begrüßt am Morgen die Gäste mit Sekt. Aufmerksam beobachten die Reiter das Geschehen in der buntgeschmückten Reithalle, denn die zur Verfügung gestellten Pferde präsentieren sich unter ihren Besitzern bzw. Bereitern. Spannung bei den Veranstaltern macht sich breit. Wie wird das reiterliche Niveau sein? Nach Absolvierung der A-Dressur zufriedene Gesichter bei Reitern, Richtern und Pferdebesitzern. Keine Ausfälle, wenngleich Niveauunterschiede nicht zu übersehen sind. Deutschland übernimmt mit Christoph Wagner, Ulf Möller und Jürgen Lange die Führung, gefolgt von Österreich und Japan. Das Turnier läuft. Erneut stehen die Busse bereit. Abfahrt in voller Montur Richtung Schloß Burg an der Wupper. Auf- und Abstieg mit der Seilbahn, danach Kaffetrinken in „Den Straßen“. Kulinarische Spezialitäten in Form einer original ‚Bergischen Kaffeetafel werden serviert. Andere Gäste wundern sich über das „Sprachenwirrwarr“, die Kommunikation unter den Studenten läuft hervorragend. Man kommt sich nicht nur sprachlich näher. Rückfahrt bei herrlichem Herbstwetter. Einige Teilnehmer fahren in die Jugendherberge, andere im Reitdress sofort in die Universität. Eine internationale Reiterdisco sieht Tanzwütige bis zum frühen Morgen. Die Stimmung ist ausgezeichnet; Wolfgang findet als Discjockey den richtigen Sound; die Asta-Ebene ist „rappelvoll“.

 

Samstag, 8. November

 

Um 7.30 Uhr Frühstück in der Jugendherberge. Anschließend wird „geschwebt“; im „Kaiserwagen“ , der weltberühmten Schwebebahn. Aus luftiger Höhe ergeben sich buchstäblich neue Perspektiven, auch für die Führerin des Presse- und Werbeamtes, die kaum zu Wort kommt, denn die Italiener machen sich ihr Programm selbst, erweisen sich als „Stimmungsmacher“.

Die Dame nimmt´s gelassen, lässt sich einfangen von der ungezwungenen Atmosphäre und lockeren Stimmung. Sie erzählt von den beiden Friedrichs, die Wuppertal u. a. bekannt gemacht haben. Bayer und Engels. Nachhilfeunterricht in Geschichte erteilt auch anschließend Ursula Kraus. „Lord Mayor“ der Bergischen Metropole, die auf einem Empfang im Barmer Rathaus anschaulich die Entwicklung der Stadt darstellt. Man hört ihr aufmerksam zu, auch die beiden „Entertainer“ lauschen andächtig. Man kann sich ganz offenbar um- und einstellen, zeigt Flexibilität. Prof. Engel, Hochschulsportbeauftragter der Uni, muß neidlos anerkennen, dass die Studentenreiter auf dem Sektor internationaler Sportbegegnungen Pioneerarbeit geleistet haben.

Ein zünftiges Mittagessen in der Reithalle schließt sich an. Es gibt Erbsensuppe mit Würstchen. Genau das Richtige, denn es ist kalt und es regnet. Wilhelm Stein, Parcourschef, erklärt die Springbahnen für das Einlaufspringen der Klasse A. Verlosung und dann heißt es: Zwei Probesprünge auf völlig unbekannten Vierbeinern, die dem Veranstalter von vielen Freunden zur Verfügung gestellt wurden. Danach sind sechs Sprünge, drei sind zum Einlaufen vorgeschaltet, zu absolvieren.

Die 45 Reiter agieren alle mit beachtlichem Stil, darunter auch Alexander Lemos (POR), der am Sonntag den Stilpreis des Deutschen Akademischen Reiterverbandes erhält. 16 Reiter starten im anschließenden L-Springen, acht sieht man am Sonntag wieder. Der Fahrdienst wird erneut aktiv, schafft Getränke, Tische und Stühle in die Ronsdorfer Gesamtschule, wo am Abend der Reiterball stattfindet. Man hat sich fein gemacht, plaudert höflich, begrüßt die Ehrengäste, darunter Dr. Wilfried Penner (MdB), der sich als gebürtiger Wuppertaler großartig engagierte.

Die „Stuttgötter“ spielten zum Tanz auf, Karl-Friedrich Nebendorf, Besitzer der Reitanlage, erhält aus der Hand von Uwe Herder eine Ehrenplakette des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Großer Beifall aller Beteiligten, weiß man doch, dass „Kalli“ es u. a. ist, der das Turnier wesentlich mitträgt. Früh am Morgen der „Kehraus“. Walter Rosenstein, Förderer und Freund der Studentenreiter, fegt in seinen 51. Geburtstag. Ein gemeinsamer Schluck auf das neue Lebensjahr, dann werden die letzten Kräfte mobilisiert, in den wenigen Stunden Schlaf, die noch verbleiben, um sich auf das sonntägliche Finale zu freuen.

 

Sonntag, 9. November

 

Acht Reiter gehen in der L-Dressur mit vier Zügeln an den Start. Für Deutschland bleiben Jürgen Lange und Christoph Wagner im Rennen. Clive de Grafe (NL) und Moniz da Maia (POR), beide auch exzellente Springreiter, halten dagegen. Nach der zweiten Runde im Springen ist für Germany nichts mehr drin, vielmehr kommt je ein Teilnehmer aus der Türkei, Belgien, Schweden und Portugal in die Endausscheidung. Peter Bollen (BEL) und Moniz da Maia (POR) reiten um Gold und Silber. In Profimanier steuern sie Waidgesell und Santana über den anspruchsvollen S-Parcours. Peter gewinnt, Moniz wird Zweiter.

Tribüne und Casino sind überfüllt, kaum noch ein Fleckchen, das nicht „bestanden“ wird. Der Ortsteil Erbschlö, der mehr Pferde als Einwohner hat, ist völlig zugeparkt. Solch ein Turnier hat Wuppertal noch nicht gesehen.

Michael Quinkler präsentiert seinen Viererzug, während im historischen Schwebebahnwagen die Pressekonferenz stattfindet, die leider wieder mager besucht ist. Egal, das Turnier wird auch so in guter Erinnerung bleiben. Auch das Dressurfinale der Klasse S, das Jürgen und Christoph bestreiten. Zwei Füchse werden gesattelt: Zapadeus von Zeus, der wohl einzige Zeus-Nachkomme, der S-Lektionen beherrscht, und Agent, der Hannoveraner von Absatz. Zapadeus steht in Erbschlö, Agent wurde von Corinna Schumann extra aus Krefeld nach Wuppertal gebracht. Der Pflicht auf „Zapus“ folgt die Kür auf Agent. Corinna hat fünfzehn fliegende Wechsel vorgemacht, die Finalisten wollen gleichziehen. Agent hat alles drauf, erweist sich als rittig und nervenstark, auch als „New York“ und „Cabarett“ erklingen. Das Publikum singt und schunkelt mit, spendet frenetischen Beifall nach jeder Vorstellung. Jürgen gewinnt, Christoph wird Zweiter. Die Siegerschärpe erhält Agent, das Pferd steht wie üblich an erster Stelle. Auf Studententurnieren Usus. Das Turnier geht dem Ende zu. Sektkorken knallen. Adressen werden ausgetauscht, mitgebrachte Präsente überreicht. Fiona wiederholt ihre Einladung nach Kanada. Wer möchte da nicht hin? Man wird sehen. Bei den Organisatoren ist nun endgültig die Luft raus. In der Jugendherberge wird Abschied gefeiert, der Chronist vergisst über aller Begeisterung seine Ergebnislisten. Wuppertal 1986 – daran wird man sich lange erinnern.

Hans Kirchner

 
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