Nicole Janßen
  Erinnerungen von Sabine
 

Ach, war das schön ...

 
„Hallo, Sabine, hier ist Michael von der Studentenreitgruppe ...“ – ein Anruf mit so oder ähnlich klingender Einleitung erreicht mich ungefähr 3 mal im Jahr: zur Weihnachtsfeier, zum jährlichen Grillfest und natürlich kurz vor dem Turnier, jedes Mal verbunden mit den besten Wünschen und der Bitte, doch mal vorbeizukommen.

 

Kaum liegt der Hörer auf der Gabel, versinke ich schon in tiefsten Träumen und Erinnerungen – genau 20 Jahre ist es jetzt her, dass ein kleines Trüppchen reit- und feierfreudiger Studenten in Wuppertal das erste Studententurnier auf die Beine stellte.

 
Kirchner’s Hans, an der Spree mit dem Bazillus Studentenreiterei infiziert, kam 1976 nach Wuppertal mit der Vorstellung, dort Vergleichbares wie in Berlin vorzufinden – Fehlanzeige. Nach vielen Schnüffeltouren durch Wuppertaler Reitställe ließen sich endlich ein paar Studenten auftreiben, die sich mit sanftem Druck von Hans überzeugen ließen, und so konnte man langsam von einem „Werden und Wachsen“ der Reitgruppe sprechen. Mit Vehemenz ging man an die Organisation des 1. Wuppertaler Hochschulvergleichturniers, das 1980 auf der Anlage des RV Sudberg stattfand. Unvergessen Claus Czech, der beim Rahmenprogramm mit stoischer Miene ca. 50 Studentenreiter auf Drahteseln von Schnaps-Stop zu Schnaps-Stop leitete, nicht ohne im schönen Burgholz mindestens vier Ehrenrunden (mit Meute) um einen Golf mit sehr beschlagenen Fensterscheiben und sehr pudelnackten Insassen zu drehen ... Ach, war das schön damals!

 
Ab 1982 wurde dann die Reitschule Benno Ehlert usurpiert, legendenumwobene Turniere fanden hier statt – wer von uns erinnert sich z.B. nicht an Nico van Bouten, den 18 Zentner schweren Kaltbluthengst, der mit einer unnachahmlichen Grazie die Reiter durch die Dressur-Finalteilprüfung Kür Kl. M trug. Dieses Nationenturnier mit 15 Mannschaften bedeutete besonders für die deutsch-polnischen Beziehungen einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt ... Ach, war das schön damals!

 
Im Frühjahr 1985 fand man sich dann zusammen, um der Reitgruppe den offiziellen Rahmen zu geben: der Akademische Reiterverein Bergisches Land e.V. wurde gegründet. Ansgar Millarg, Kalli Nebendorf und mit ihm Christoph Kleimeyer verhalfen uns in den darauffolgenden Jahren zu ein paar Super-Turnieren – ach, war das schön damals!

 
Und erst das Silvesterturnier 1990/91! Heute noch treten manchen Oldies der Reitgruppe kleine Tränen der Rührung in die Augen, wenn man an diese unsere Glanzleistung zurückdenkt. Geritten wurde auf Erbschloe, gefeiert und getanzt in der altehrwürdigen Stadthalle – welch eine Kulisse ... Ach, war das schön damals!

 
Gab es da eigentlich schon diese komischen Saufgelage, von denen man heute immer wieder hört? Im Leben nicht! Dass Alfons jedes Mal in der L-Dressur aus der Mittellinie eine Schlangenlinie machte, lag eigentlich immer nur an den etwas unausbalancierten Pferden; und wer erzählt eigentlich heute immer noch von den Schwierigkeiten, einen bestimmten, hier nicht näher genannten (weil heute prominenten) Studireiter beim Finale aufs Pferd zu kriegen (was soll’s, das Finale wurde mal eben gewonnen, der glückliche Sieger verfiel sofort danach in einen seligen Tiefschlaf)? War es Martin in Frauenfels, der immer, wenn er etwas un-nüchtern war, an keiner Daimler-Benzflagge vorbeigehen konnte; und somit zum Zeichen seines Zustandes regelmäßig sein Zelt beflaggt hatte? Welche Mädels der Reitgruppe hatten in der Schweiz freitags abends schon ihren gesamten hochprozentigen Vorrat fürs Wochenende vernichtet? Also wirklich, zu unseren Zeiten gab es einfach keinen Alkohol – nur Appelkorn ... Ach, war das schön damals!

Wenn man sich mal anguckt, wie das junge Gemüse heutzutage so ein Turnier organisiert – wär‘ uns nie passiert!! Bei uns stimmte jeder Handgriff, jedes Telefonat war effektiv, und das Geld konnten wir natürlich auch viel besser zusammenhalten als die Küken heute. Und lieb waren wir immer zueinander ... besonders in der letzten, der heißen Phase, so kurz vor dem Turnier, da wäre es uns doch niemals eingefallen, auch nur ein böses Wort an den anderen zu richten oder gar seinen Fleiß betreffs der Turniervorbereitung in Frage zu stellen! ... Ach, war das schön damals!

Und überhaupt – Studententurniere sind ja gar nicht mehr das, was sie einmal waren! Früher, da kannte man jeden noch persönlich, da hatte man in jeder Universitätsstadt einen Platz für den Schlafsack. Mit dem Studieren, das war dann leider so eine Sache: pro Monat drei Turniere in der Saison; freitags Anreise, der Montag fiel flach zum Regenerieren – Studentenreiter studierten eben im Schnitt zwei Semester länger. ... Ach, war das schön damals!

Tja, und jetzt habe ich mal wieder eine Einladung zum Turnier bekommen...

 Also, eigentlich hatte ich mir ja geschworen, nie wieder auf so ein doofes Turnier zu gehen, denn das letzte Mal bin ich doch von so einem Newcomer (der selber erst fünf Jahre dabei ist und deshalb natürlich überhaupt keine Ahnung von der Studentenreiterei haben kann) glatt g e s i e z t  worden!!! Aber ich muss doch unbedingt mal gucken, ob die Kiddies auch ohne uns klar kommen, vielleicht haben die ja am Ende genau so viel Spaß wie wir damals? Auf jeden Fall kann ich dann als sog. „Alt-Akademikerin“ schnell noch ein paar unglaublich hilfreiche Tipps loswerden – aber ich habe irgendwie so das Gefühl, als könnten die das auch ohne uns ...? Ach, damals ...!

Fazit:

Auch die „Unentbehrlichen“ kommen irgendwann einmal in die Jahre und müssen staunend erkennen, dass sich zwar unheimlich viel, aber doch auch irgendwie gar nichts verändert hat (naja, inzwischen sind alle so ungefähr zwanzig Jahre jünger als wir): Spaß gibt es immer noch jede Menge, das Reiten ist sehr wichtig, das Feiern mindestens ebenso – und so ein Studententurnier ist halt immer noch das Allergrößte!!!

Eure Sabine
 
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